Prof. Gert Richardt

Rollentausch unter Freunden

Vier Fachabteilungen, 136 Planbetten, rund 4.500 vollstationäre Patienten: Die Asklepios Klinik Bad Oldesloe ist einer der kleinen Klinikstandorte in Schleswig-Holstein. Einer von denen, die in der öffentlichen Diskussion bislang selten vorkamen. Zur Jahreswende änderte sich das schlagartig. Die kleine Klinik war plötzlich Gegenstand zahlreicher Medienberichte und von gesundheitspolitischen Diskussionen. Die Klinik-Geschäftsführer wurden in den Sozialausschuss des Landtages gebeten, wo die gesundheitspolitischen Sprecher von CDU und Grünen, SPD und FDP Auskunft und Aufklärung einforderten. 

In der Diskussion geht es um die Frage, welches Leistungsspektrum die Klinik künftig anbieten wird – eine Frage, die sich derzeit viele Krankenhäuser stellen, weil die genaue Ausgestaltung der Krankenhausreform und damit die Folgen für die Kliniken ungelöst sind. Weil es zwischen Berlin und den Bundesländern hakt, erhöht sich die Unsicherheit. 

„Es gab eine Entfremdung in Bad Segeberg. Ich konnte dort nichts mehr bewegen.“
Prof. Gert Richardt

Dass es ausgerechnet in Bad Oldesloe zu einer so intensiven öffentlichen und überregionalen Diskussion über das Leistungsspektrum kam, lag u.a. an einem Wechsel, der für Aufsehen sorgte: Das Haus hatte einen Nachfolger für seinen ausscheidenden kardiologischen Chefarzt gesucht. Es kam Dr. Ralph Tölg aus Bad Segeberg – und der brachte gleich ein ganzes Team mit, inklusive seines bisherigen Chefs Prof. Gert Richardt, der nun Sektionsleiter in Bad Oldesloe ist.

Was für die Öffentlichkeit überraschend war, erweist sich mit einem Blick auf den Werdegang der beiden Spezialisten als folgerichtig. Richardt und Tölg arbeiten seit inzwischen 30 Jahren an mehreren Standorten in Deutschland zusammen: In München, Lübeck und Bad Segeberg. „Wir sind persönlich befreundet und vertrauen uns auch beruflich. Wir tauschen uns täglich schon auf dem Weg zur Arbeit das erste Mal telefonisch aus“, sagt Richardt über das enge Verhältnis zu Tölg. Dieses gegenseitige Vertrauen verträgt auch, dass die beiden in der Hierarchie die Positionen getauscht haben. Der bisherige Stellvertreter Tölg wurde von einem Headhunter als Chefarzt in Bad Oldesloe angesprochen. „Ich habe das in Bad Segeberg offen kommuniziert und natürlich auch gegenüber Gert Richardt“, berichtet Tölg. 

„Als Einzelkämpfer wäre es hier schwierig geworden, im Team kann man leichter etwas bewirken. So ist es optimal.“
PD Dr. Ralph Tölg

Was sich daraus entwickelte, war vom neuen Arbeitgeber nicht geplant, betonen die beiden: Mit Tölg interessierten sich plötzlich sechs weitere Ärztinnen und Ärzte aus der Segeberger Kardiologie und eine Referentin für die Nachbarklinik. Dass darunter auch Tölgs Freund und bisheriger Chef Richardt war, steigerte die öffentliche Aufmerksamkeit. Der Segeberger Chefarzt ist mit 66 Jahren in einem Alter, in dem andere den Ruhestand genießen oder planen. Dass ist für ihn noch keine Option, aber nach 21 Jahren war er an seiner alten Wirkungsstätte nicht mehr zufrieden. „Es gab eine Entfremdung in Bad Segeberg. Ich konnte dort nichts mehr bewegen. Die Unzufriedenheit haben auch die Kolleginnen und Kollegen gespürt“, beschreibt Richardt sein Empfinden mit einigen Wochen Abstand zum Wechsel. Er habe das Gefühl gehabt, dass die Klinikleitung einen Generationswechsel an der Spitze der Kardiologie angestrebt habe. „Das ist ihr gutes Recht“, betont Richardt. Als Tölg ihm von seinem Angebot berichtete, schlug Richardt ihm einen gemeinsamen Wechsel vor – was in Bad Oldesloe Anklang fand.

Tölg wechselte unter anderen Vorzeichen als Richardt. Zeitgleich mit seinem Chef aus Lübeck 2002 nach Bad Segeberg gekommen, baute er als leitender Oberarzt das Herz-Kreislauf-Zentrum der Klinik am Standort in Norderstedt auf und etablierte es. Die Perspektiven des 56-Jährigen gebürtigen Bayern: Entweder in Bad Segeberg bleiben und das Etablierte weiterführen oder als Chefarzt in eine funktionierende Kardiologie wechseln. Bad Oldesloe bot ihm dagegen die Chance, aus einer vergleichsweise kleinen Abteilung ein Zentrum für Herz-, Gefäß- und Diabetesmedizin zu entwickeln. „Hier habe ich die Chance, etwas zu bewegen“, sagt der neue Chefarzt und Ärztliche Direktor. 
Dass ihm Richardt und weitere Kolleginnen und Kollegen bei diesem Schritt folgten, erleichterte ihm den Start, war aber nicht allein ausschlaggebend für die Entscheidung. Tölg beschreibt es so: „Wenn Gert Richardt mir abgeraten hätte, wäre ich nochmal ins Überlegen gekommen. Als Einzelkämpfer wäre es hier schwierig geworden, im Team kann man leichter etwas bewirken. So ist es optimal.“

Auch Richardt reizte die Chance, an einem bisher wenig beachteten Standort neue Impulse zu setzen. Er hat Bad Oldesloe bislang eher „im Dornröschenschlaf“ wahrgenommen und will als Sektionsleiter Tölg dabei unterstützen, den Standort aus diesem Schlaf zu wecken. Mit dem Team sehen sie dafür gute Chancen, auch wenn der Start mit der öffentlichen Diskussion anders ausfiel, als sie erwarteten. Auslöser war eine Pressemitteilung des Klinikkonzerns. Asklepios hatte zu Jahresbeginn zunächst das neue Zentrum verkündet und zugleich angekündigt, die Chirurgie zu schließen. Mit dieser Umstrukturierung sah Klinikgeschäftsführer Jörgen Wißler die Zukunft der Klinik „auch in Hinblick auf die kommende Krankenhausreform“ gesichert. Doch die Kommunikation zwischen dem Kieler Gesundheitsministerium und Bad Oldesloe schien nicht die beste zu sein. Noch im Januar machte Asklepios publik, dass das Ministerium in Bad Oldesloe eine reine Fachklinik für Geriatrie plane und der Standort aus der Notfallversorgung ausscheiden solle. „Wir hoffen, das Ministerium noch umzustimmen, aber derzeit sieht man dort keine Zukunft für den Standort Bad Oldesloe“, hieß es plötzlich aus der Geschäftsführung.

Das sorgte für hohe Wellen nicht nur in der Öffentlichkeit. „Wir haben viele Gespräche in unserem Team geführt“, berichtet Tölg über die aufkommende Unruhe unter den Mitarbeitenden. Inzwischen soll es auch auf Planungsebene weitere Gespräche gegeben haben. Tölg und Richardt werten anschließende Signale so, dass sie von einem Fortbestand ausgehen und weiter daran arbeiten, das neue Zentrum zu etablieren. „Wir behandeln hier Patientinnen und Patienten. Die Nachfrage ist vorhanden und wir sind überzeugt, dass das so bleibt“, sagen die beiden übereinstimmend. Sie verbindet auch ein gemeinsames Interesse an der klinischen Forschung – ein Thema, das sie an allen bisherigen Standorten zusammengehalten hat. Die klinischen Studienprogramme werden sie auch in Bad Oldesloe fortsetzen. Bad Segeberg hat unterdessen einen Nachfolger für Richardt präsentiert: Prof. Holger Nef kommt wie berichtet aus der Universitätsklinik Gießen. 
Dirk Schnack