Neues Palliativnetz im Norden

Mitgründer von Navis ist der Internist und Allgemeinmediziner Johannes-Christian Witte, der seit 1995 in Bad Segeberg niedergelassen ist und seit Jahrzehnten Erfahrung mit der Betreuung und Begleitung von schwerstkranken Menschen in der letzten Lebensphase hat. Engagiert hatte er sich lange Zeit im Palliativnetz Travebogen, das in Lübeck und umgrenzenden Regionen aktiv ist. 

Mittlerweile ist Witte 70 Jahre alt, noch immer in seiner Segeberger Gemeinschaftspraxis mit sechs Ärztinnen und Ärzten aktiv und machte 2025 noch einmal den Schritt zur Navis-Gründung. Was treibt den Diplom-Mediziner an? Einer der Gründe ist die intensive Begleitung der schwerstkranken Menschen, die trotz der vergleichsweisen kurzen Phase eine Bindung entstehen lässt. „In der Palliativmedizin ist man noch näher am Menschen als in der Hausarztpraxis. Diese Phase ist belastend, aber sie trägt einen auch“, sagt Witte. Nach reiflicher Überlegung spricht er von der Palliativmedizin sogar von der „Krone der Medizin“ – sie ist nach seinen Erfahrungen medizinisch-wissenschaftlich anspruchsvoll, zugleich von viel Emotionalität und spiritueller Erfahrung begleitet. „Bereichernd“ ist ein Begriff, der ihm passend erscheint für die Arbeit in der Palliativmedizin. 



Diese Arbeit erlebt er persönlich weniger düster, als dies Außenstehende oft annehmen. Sie ist nicht ausschließlich von Trauer über das sich abzeichnende Ende, sondern manchmal auch von gelöster Stimmung gekennzeichnet. Der Grund: „Die Menschen lernen in der Phase, in der wir sie erleben, loszulassen. Die Akzeptanz der eigenen Endlichkeit und das Erkennen, dass man das Ende annehmen muss – das tut vielen Menschen in dieser Zeit gut“, berichtet Witte. Dieser Frieden, den die Menschen meist finden, führe auch zu Dankbarkeit vieler Angehöriger gegenüber dem SAPV-Team.

Ein anderes Missverständnis, das ihm oft begegnet: In der Palliativmedizin begleitet man nicht nur sterbenden Menschen. Rund 5 % der Betreuten haben nach der palliativen Begleitung zum Teil noch mehrere Monate, seltener auch Jahre, zu leben. Witte erlebt dies zum Beispiel bei onkologischen Patienten, denen der medizinische Fortschritt in Kombination mit Symptomkontrolle und guter Begleitung mitunter zu weiteren Lebensjahren verhilft. „Palliativversorgung wirkt lebensverlängernd und verbessert die Lebensqualität“, ist Witte überzeugt. 

Die interdisziplinäre Teamarbeit ist ein weiterer Grund für Witte, sich in der Palliativmedizin zu engagieren. „SAPV funktioniert nur im Team“, lautet seine Erfahrung. Das SAPV-Kernteam wird gebildet von Ärzten mit Zusatzbezeichnung Palliativmedizin und Pflegefachkräften mit Zusatzbezeichnung Palliative Care. Daneben gibt es Kooperationsverträge mit Apotheken, Sanitätshäusern, dem Hospizverein Segeberg sowie mit Hausarztpraxen und Pflegediensten. In der Pflege besteht eine klare Abgrenzung – SAPV-Teams erbringen keine Pflegeleistungen gemäß SGB XI. Die Leistungen sind klar umrissen: In der Symptomkontrolle zählen die Behandlung belastender Symptome wie Schmerzen, Atemnot, Übelkeit, Erbrechen, Unruhe oder Angst dazu. Neben der medikamentösen Behandlung können komplementäre Maßnahmen wie etwa Aromatherapie, Wickel und Auflagen, apparative Lymphdrainage, Akupressur helfen. 

An Nachfrage fehlt es Navis schon zur Startphase nicht. Deshalb sucht das Netz auch Hausärztinnen und -ärzte als weitere Kooperationspartner. Diese müssten neben der Praxis bis zu 13 Stunden pro Woche zur Verfügung stehen – was nicht bedeutet, dass diese ausgeschöpft werden. „Viele hält diese Regelung ab. Wir würden gerne mit weiteren Hausärzten aus der Region kooperieren“, sagt Witte. Die Finanzierung von SAPV-Teams über das GKV-System ist übrigens gesichert, sobald die sachlichen und personellen Anforderungen – etwa die Bildung des Kernteams – laut Bundesrahmenvertrag erfüllt sind. Die früher übliche Zulassung nur einer bestimmten Zahl pro Region existiert nicht mehr. 
Dirk Schnack