
Therapie bei Hautkrebs
Wie können (Haus)Ärzte ihre Patienten besser sensibilisieren, sich vor der Sonne zu schützen?
Prof. Axel Hauschild: Die Maßnahmen zur Primärprävention in den vergangenen Jahrzehnten haben gegriffen, zumindest was das Verständnis bei der Anwendung von Lichtschutzcremes angeht. Präparate mit einem Lichtschutzfaktor von 15 oder weniger werden heute kaum noch verkauft. Interessanterweise löst das Argument der Entstehung von Hautkrebs insbesondere bei jüngeren und mittelalten Frauen keine so große Furcht aus, wie wir vermutet haben. Hier ist es vielmehr die Angst vor Faltenbildungen in lichtexponierten Arealen. Insofern sollten unsere
Aufklärungskampagnen ästhetische Beeinträchtigungen („Hautalterungen“) als Folge intensiver UV-Strahlung mit einbeziehen.
Wirkt sich der Bewusstseinswandel auf die Fallzahlen aus?
Hauschild: Die meisten Menschen sind der Meinung, dass mit der Verwendung einer Lichtschutzcreme alles gut ist und keine
Hautkrebsgefahr besteht, weil Sonnenbrände vermieden werden können. Dies ist jedoch ein Trugschluss! Vielmehr wird bereits unterhalb der Schwelle, die einen Sonnenbrand auslöst, ein DNA-Schaden in der Haut gesetzt, der dann nicht nur zum schwarzen, sondern auch zu hellem Hautkrebs führen kann. Die maximale Zeit in der Sonne mit entsprechendem Lichtschutz kann durch eine Creme nur unwesentlich verlängert werden, ohne eine Schädigung der Haut zu in Kauf zu nehmen. Ich plädiere dringend dafür, die Kernzeiten der intensivsten UV-Strahlung von 12 Uhr bis 16 Uhr zu meiden.
Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang der Klimawandel und die demografische Entwicklung?
Hauschild: Unzweifelhaft spielt der Klimawandel bei den steigenden Hautkrebszahlen eine unmittelbare Rolle. Der entscheidende Grund ist jedoch die demografische Entwicklung. Sowohl das Melanom als auch die Keratinozyten-Tumoren stellen Neoplasien insbesondere des mittleren und vor allem des höheren Lebensalters dar. Wenn man sich die Alterspyramide anschaut, kann man leicht ausrechnen, auf welche Hautkrebs-Epidemie wir in den nächsten 20 Jahre zusteuern. Die Statistiken sprechen hier eine wirklich eine eindeutige Sprache.
Die Behandlung des malignen Melanoms hat sich in den vergangenen 15 Jahren grundlegend verändert und eröffnet erstmals Heilungschancen. Bitte skizzieren Sie kurz die Entwicklung und erläutern, wie PD-1- und CTLA-4-Inhibitoren wirken.
Hauschild: 2018 erhielten James Allison und Tasuku Honjo den Nobelpreis für die bahnbrechende Entwicklung der Immun-Checkpoint-Blockade. Sie konnten zeigen, wie Tumoren nach Abschaltung von inhibierenden Schlüsselmolekülen wie PD-1 und CTLA-4 durch körpereigene T-Lymphozyten angegriffen werden. Es wurde quasi die Handbremse der T-Zell-Aktivierung gelöst, um den Tumor zu attackieren. Mittlerweile sind mehr als 20 verschiedene Indikationen dieser Substanzklasse in der Onkologie zugelassen.
Welche Patientengruppen profitieren besonders von Checkpoint-Inhibitoren?
Hauschild: Nach wie vor am besten profitieren Patienten mit Hautkrebs. Zunächst war es das Melanom, bei dem die 5-Jahres-Überlebensrate von 5 % auf jetzt 50 % verbessert werden konnte – sogar, wenn schon Fernmetastasen in viszeralen Organen vorlagen. Die PD-1-Antikörper sind zu einem neuen Therapiestandard beim Melanom auch in der adjuvanten Therapie geworden, mit einer 50 %igen Verbesserung des rezidivfreien Überlebens. Noch spektakulärer sehen die Ergebnisse beim hellen Hautkrebs und insbesondere beim kutanen Plattenepithelkarzinom aus. Die Ansprechrate beträgt etwa 50 % und es kommt in vielen Fällen zu vollständigen Tumorrückbildungen.
Wie lange halten solche Komplettremissionen an?
Hauschild: Im Gegensatz zu herkömmlichen Chemotherapien sind die Remissionen nicht nur kurz, sondern können auch bei Patienten in fortgeschrittenen Tumorstadien zu anhaltenden Heilungen führen. Ein Therapieprinzip, das beim Melanom und beim kutanen Plattenepithelkarzinom für Furore in der Wissenschaftscommunity und hochrangige
Publikationen etwa im New England Journal of Medicine (NEJM) sorgte, ist die Einführung der neoadjuvanten Therapie, die bei beiden Tumoren eine kurzfristige systemische Immuntherapie vor einer Operation vorsieht. Die Immuntherapie war bei mehr als der Hälfte der Patienten so erfolgreich, dass die geplante Operation nicht mehr notwendig war. Auch ohne OP ist es bei diesen Patienten mit kutanem Plattenepithelkarzinom innerhalb der folgenden zwei Jahre zu keinem Rezidiv gekommen. Das ist ein therapeutischer Durchbruch!
Die Studiendaten sind ganz aktuell, richtig?
Hauschild: Beim amerikanischen Krebskongress (ASCO) in Chicago wurden
die Ergebnisse einer adjuvanten Therapie
mit dem PD-1-Antikörper Cemiplimab beim kutanen Plattenepithelkarzinom am 31. Mai vorgestellt und veröffentlicht. Die Zulassungsstudie ist mit einer Verbesserung des rezidivfreien Überlebens gegenüber dem derzeitigen Standard hochsignifikant positiv und wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer raschen Zulassung führen. Dann haben wir zeitnah endlich eine effiziente, prophylaktische Therapie für unsere Patienten mit kutanen Hochrisiko-Plattenepithelkarzinomen. Ich war im Steuerungsgremium der Studie und freue mich nicht nur über die herausragenden Ergebnisse, sondern auch über eine erneute NEJM-Publikation.
Ebenfalls in der klinischen Erprobung befindet sich die sogenannte Krebsimpfung. Wie wirkt die mRNA-Impfung beim Melanom und welche Hoffnungen bringt sie mit sich?
Hauschild: Das Prinzip der mRNA-Impfung ist inzwischen geläufig, da es sich nicht wesentlich von der COVID-Impfung unterscheidet. Beim Melanom werden allerdings keine Viruspartikel angegriffen, sondern Neoantigene des Melanoms. Bis zu 34 dieser Schlüsselmoleküle, die für die Progression des Tumors verantwortlich sind, werden am patienteneigenen Tumormaterial identifiziert, um dann eine personalisierte, genau auf diesen Tumor zugeschnittene mRNA-Vakzine zu konstruieren. Die Pilotstudien beim Melanom sehen extrem verheißungsvoll aus, die Zulassungsstudie wurde nicht zuletzt auch wegen dem Enthusiasmus der Melanomexperten innerhalb einer Rekordzeit vollständig rekrutiert.
Wann erwarten Sie die Zulassung der Impftherapie?
Hauschild: Wir rechnen spätestens im nächsten Jahr mit ersten Ergebnissen. Erst dann kann auch ein Zulassungsantrag gestellt werden. Diskussionen auslösen könnte der Preis für eine derartige Vakzine, da sie für jeden einzelnen Patienten individuell hergestellt werden muss – anders als etwa bei der COVID-Impfung. Der Preis wird wahrscheinlich ganz erheblich sein, noch dazu, weil die Vakzine nicht allein, sondern ausschließlich als Kombinationstherapie mit einem PD-1-Antikörper beim malignen Melanom verwendet wird.
Hilft die Impfung bei allen Krankheitsstadien?
Hauschild: Leider nein. Ein Wermutstropfen ist sicherlich, dass die mRNA-Vakzinierung kein guter Kandidat für weit fortgeschrittene Tumoren sein wird. Den vorliegenden ersten Ergebnissen zufolge wirkt sie ganz offensichtlich am besten bei niedriger Tumorlast und hilft in der adjuvanten Therapie, Mikrometastasen aufzuspüren.
Bei der Immun-Checkpoint-Blockade wird von heftigen Nebenwirkungen berichtet. Wie sieht es hiermit bei der mRNA-Impfung aus?
Hauschild: Das Schöne bei der mRNA-Impfung ist, dass außer entzündlichen Reaktionen an der intramuskulären Einstichstelle der Vakzine und leichten grippeähnlichen Symptomen bis dato keine signifikanten Nebenwirkungen beschrieben wurden. Insbesondere ist das Risiko der Autoimmunerkrankungen, das bei den Immun-Checkpoint-Inhibitoren nicht unerheblich ist, durch die zusätzliche Impfung nicht erhöht.
Können Sie noch kurz etwas zu den Checkpoint-Inhibitoren sagen?
Hauschild: Die Immun-Checkpoint-Inhibitoren zeichnen sich dadurch aus, dass der natürliche Schutz vor Autoimmunität durch die Therapie aufgehoben wird und dadurch je nach verabreichtem Inhibitor schwerere Nebenwirkungen im Sinne einer Autoimmun-Kolitis, -Hepatitis, -Hypophysitis oder auch anderen kardialen und neurologischen Autoimmunerkrankungen gegeben ist. Auch wenn diese Nebenwirkungen selten sind, können sie bei etwa 2 % aller Patienten schwer und irreversibel sein. Diese Art von Autoimmunerkrankungen können jedoch heute – nach zehnjähriger Erfahrung mit zugelassenen Immun-Checkpoint-Inhibitoren – zumeist früh erkannt und dann auch mit immunsuppressiven Maßnahmen erfolgreich behandelt werden.
Welche Rolle spielen niedergelassene Ärzte in diesem onkologischen Therapiemanagement?
Hauschild: Der niedergelassene internistische Onkologe ist selbstverständlich über die spezialisierte Behandlung „seines“
Patienten informiert und begleitet ihn an seinem Heimatort. Ich kenne allerdings keinen Hautarzt in Deutschland, der regelhaft Immun-Checkpoint-Inhibitoren in der Praxis anwendet. Gründe hierfür sind die Komplexität der zu erwartenden Nebenwirkungen, eine entsprechende Expertise
des ganzen Praxisteams und auch logistische Aspekte wie eine Rufbereitschaft für Patienten. Diese Patienten sind an einem zertifizierten Hauttumorzentrum sehr gut aufgehoben sind. In unserer Universitäts-Hautklinik in Kiel, aber auch in Lübeck, besteht eine exzellente Expertise nicht nur zur Durchführung der Therapie, sondern auch zum Nebenwirkungsmanagement und – das ist mir besonders wichtig – auch bei der Verfügbarkeit von klinischen Studien. Nur weitere klinische Studien werden die Prognose des Melanoms und der anderen Hauttumoren weiter verbessern können. Zur Qualitätsverbesserung tragen auch die interdisziplinären Tumorkonferenzen bei, die an jedem Hauttumorzentrum Standard sind und eine schnelle Kommunikation mit allen beteiligten Disziplinen ermöglichen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Uwe Groenewold