Neuer Chef beim Hartmannbund

Warum engagieren Sie sich als erster Vorsitzender des Hartmannbundes, was treibt Sie an?
Dr. Sebastian Gassner: 2005 wurde ich als Medizinstudent Mitglied im Hartmannbund und bin seitdem berufspolitisch im Verband in unterschiedlichen Gremien und Positionen tätig. Die Ärzteschaft hat das große Glück, relevante Themen des eigenen freien Berufs selbst gestalten zu können. Das gibt Selbstwirksamkeit. So habe ich Verbandsarbeit auch immer er- und gelebt. Nicht nur schimpfen, sondern auch gestalten.

Was sind die wichtigsten Ziele in Ihrer Amtszeit?
Gassner: Der Verband verändert sich – genauso wie die Ärzteschaft. War der Hartmannbund früher gefühlt der Verband der Niedergelassenen, so hat er heute seinen Fokus viel mehr auf der Lebenswelt der Studierenden und angestellten Kolleginnen und Kollegen, sowohl in der Klinik als auch in der Niederlassung. Hier möchte ich mehr Präsenz zeigen. Auch ist mir die Vernetzung des Verbands mit den Entscheidungsträgern hier in Schleswig-Holstein wichtig, die wir in den letzten Jahren intensiv gelebt haben. Politik braucht Expertise, und die haben wir.

Welche Bedeutung haben Verbände wie der Hartmannbund nach Ihrer Wahrnehmung in der Standespolitik?
Gassner: Berufsverbände sind die Keimzelle für das Engagement in den Gremien. Hier werden Themen und Probleme aufgegriffen und in die Gremien transportiert. Hier sind viel Erfahrung und Motivation verortet und: viel Idealismus. Berufspolitik findet nach der Arbeit statt.

Wie werden Sie sich einmischen und Ihre Positionen einbringen?
Gassner: Schleswig-Holstein ist nach Niedersachsen und Hamburg der dritte Landesverband des Hartmannbundes, den ich kennenlernen durfte. Ich schätze hier im „echten Norden“ sehr die Unaufgeregtheit und den Pragmatismus im Umgang miteinander. Dies macht es leicht, miteinander ins Gespräch zu kommen und zu bleiben.

Sie sind Anästhesist im AOZ Flensburg. Was läuft bei Ihnen vor Ort so gut, dass Sie es Bundesgesundheitsministerin Nina Warken gerne einmal als beispielhaft persönlich vor Ort zeigen würden?
Gassner: In unserem Ambulanten Operations-Zentrum behandeln wir im Jahr ca. 1.500 Patientinnen und Patienten, ein Großteil davon sind Kinder. Seit diesem Jahr kommt noch die Versorgung von Schmerzpatienten dazu, was uns vor große Herausforderungen im Praxisablauf stellt. Dies geschieht – wie bei vielen anderen niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen auch – auf hohem medizinischem Niveau, effizient und ökonomisch. Das Wichtigste 
dabei ist: Die Patientinnen und Patienten sind zufrieden und wissen das zu schätzen. Aus meiner Sicht ist dies ein ganz großer Vorteil des Vertragsarztwesens.

Und was hemmt Sie in Ihrer Arbeit vor Ort so stark, dass Sie mit der Ministerin darüber sprechen möchten?
Gassner: Die Probleme sind überall ähnlich: Bürokratie, Fachkräftemangel und fehlende finanzielle Entwicklung der Honorare bei steigenden Betriebs- und Personalkosten. Dies schreckt viele junge Kolleginnen und Kollegen ab, selbst in die Niederlassung zu gehen. Hier wünschen wir uns, dass die tägliche Arbeit der Ärztinnen und Ärzte mehr politische Wertschätzung erfährt.

Gesundheitspolitik wird zunehmend zentral entschieden, die Spielräume auf Landesebene werden geringer. Was kann ein vergleichsweise kleiner Landesverband wie der in Schleswig-Holstein bewirken?
Gassner: Gesundheitsversorgung wird vor Ort gemacht, Gesundheitspolitik nur bedingt. Gleichzeitig können wir im Gespräch mit den gesundheitspolitischen Sprecherinnen und Sprechern sowie den Bundes- und Landtagsabgeordneten Themen aufgreifen und bei Entscheidungen beraten. Große Themen nehmen wir nach Berlin mit in den Gesamtvorstand, dem auch Dr. Klaus Reinhardt als Vorsitzender des Hartmannbunds angehört, der auch aktueller BÄK-Präsident ist.

Der Hartmannbund vereinigt ärztliche Mitglieder aus allen Bereichen des Gesundheitswesens. Die Trennung der Sektoren in der Versorgung aber bleibt Realität. Was müsste passieren, damit wir in dieser Hinsicht endlich Fortschritte erzielen?
Gassner: Sektorentrennung ist ein dickes Brett, zumal sie sich in den Strukturen des deutschen Gesundheitswesens fest verankert hat. Die Einführung der Hybrid-DRGs war der Startschuss für die weitere Ambulantisierung von operativen Eingriffen. Dies führt bei vielen Krankenhäusern zu einem Überdenken von eingefahrenen Wegen. Wichtig wäre aus meiner Sicht, dass die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Vertragsarztwesen und stationärer Versorgung vereinfacht werden würden. Hier gibt es immer noch große Hürden.

Sie schauen bei Ihren Versammlungen gerne über den Tellerrand: Sie tagen gemeinsam mit den Delegierten aus Mecklenburg-Vorpommern und Sie interessieren sich für die Perspektiven anderer Akteure aus dem Gesundheitswesen, u.a. von Kassenvertretern. Wie wertvoll sind diese Perspektiven und haben sie bei Ihnen schon jemals zu einem Umdenken geführt?
Gassner: Entscheidungsfindungen im Gesundheitswesen sind komplex. Das wird deutlich, wenn man mit Akteuren der Krankenkassen und der KV spricht. Umso wichtiger ist es, sich zu verstehen. Auch wenn man es im Alltagsgeschäft oft nicht wahrnimmt: am Ende wollen alle eine gute Patientenversorgung. Die Ärzte, die Kassen und die Politik. Mit welchen Ressourcen und zu welchem Preis, ist Gegenstand der Debatte untereinander. Wir versuchen, im Rahmen unserer Vorstandssitzungen und Landesdelegiertenversammlungen immer wieder spannende Themen sowie Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner zu gewinnen. Besonders beeindruckt hat mich die Referentin des Chaos Computer Clubs zum Thema ePA-Sicherheit. Hier wurde mir klar, dass ein langsamer Roll-Out bei komplexen Themen besser ist als ein Gesamtpaket, das unter Zeitdruck vom Stapel läuft. Hier würde ich mir von der Politik mehr Pragmatismus wünschen.

Ihr Vorgänger Dr. Mark Tobis hat den Landesverband acht Jahre lang geführt und in dieser Zeit u.a. erreicht, dass die Mitgliederzahl wieder steigt. Was unterscheidet Sie beide und was werden Sie anders machen?
Gassner: Tatsächlich haben wir mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede: wir kommen ursprünglich beide aus dem Süden Deutschlands, lebten beide lange in Großstädten und waren dort beruflich tätig. Wir sprechen Probleme an, auch wenn es mal wehtut und freuen uns, wenn Schleswig-Holstein Dinge in Berlin anstoßen konnte. Mein Ziel wird es sein, gemeinsam mit einem verjüngten Vorstand die jungen Kolleginnen und Kollegen zu erreichen, die wir als Verbandsmitglieder gewinnen konnten. Berufspolitik ist nicht langweilig und nicht immer trocken.

Wie wollen Sie weitere Ärztinnen und Ärzte aus Schleswig-Holstein überzeugen, sich im Hartmannbund zu engagieren?
Gassner: So wie ich 2005 in Niedersachsen vom damaligen Landesvorsitzenden Dr. Bernd Lücke aufgenommen wurde: 
mit Wertschätzung, auf Augenhöhe und dem Gefühl, dass jeder seine Themen mitbringen kann und dass diese auch gehört werden. Das Gefühl, selbstwirksam zu sein, ist enorm wichtig. Und wo man nicht selbstwirksam sein kann, ist es doch sehr erleichternd, wenn man merkt: Mensch, den anderen Kolleginnen und Kollegen geht es wie mir! Dann hat man zwar nicht viel bewegt, aber jeder geht dennoch mit weniger Ballast seines Weges. Durch seine Mitgliederbreite ist der Hartmannbund ein hervorragendes Netzwerk – ein ganzes Ärzteleben lang.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dirk Schnack