Ministerpräsident Daniel Günther und Gastgeber Prof. Nicolai Maass am Rande der Tagung

Gynäkologie

Ausverkauftes Haus“ vermeldete Prof. Nicolai Maass, Direktor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am UKSH-Campus Kiel, Anfang April beim Ostsee-Seminar und der Jahrestagung der Norddeutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (NGGG) im Kieler Atlantic Hotel. Mit 300 niedergelassenen und klinisch tätigen Ärztinnen und Ärzten war der Saal bis auf den letzten Platz besetzt. „Erstmalig haben wir beide Fortbildungsformate zusammengefasst. Die NGGG ist eine der letzten regionalen Fachgesellschaften und blickt mit der Gründung im Jahre 1909 auf eine lange Tradition zurück. Und auch das Ostsee-Seminar genießt seit 25 Jahren in unserem Fachgebiet großes Ansehen. Im Zeitalter virtueller Fortbildungsformate freuen wir uns über den persönlichen, kollegialen und interdisziplinären Austausch in Präsenz“, erklärte Maass zu Beginn der Veranstaltung.

Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verwies in seinem Grußwort auf die erstklassigen Therapieoptionen in Gynäkologie und Geburtshilfe, über die der Norden verfüge. „Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein sind hochmoderne Technologien wie die da-Vinci-Surgical-Systeme routinemäßig im Einsatz. Sie ermöglichen gezielte und sehr schonende Eingriffe. Die Fortschritte etwa bei den minimalinvasiven Operationsmethoden sind ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie Innovation direkt der Gesundheit von Frauen zugutekommt.“ Auch die Digitalisierung spiele eine zunehmend wichtige Rolle: KI-gestützte Auswertungen, etwa in der Brustkrebs-Früherkennung, ergänzten die Arbeit ärztlicher Teams und führten zu frühzeitigeren und präziseren Diagnosen. Besonders gute Ergebnisse zeige die Kombination aus technologischer Auswertung und menschlicher Expertise – ein Ansatz, der sowohl Ärztinnen und Ärzte in ihrer Arbeit unterstütze als auch den Patientinnen und Patienten eine bestmögliche Behandlung verspreche, so Günther.

Das zweitägige Kongressprogramm spiegelte die gesamte Bandbreite moderner Gynäkologie und bot vertiefte Einblicke in Perinatalmedizin, Senologie, gynäkologische Onkologie, allgemeine und urologische Gynäkologie sowie Endokrinologie und Reproduktionsmedizin. Einige thematische Schwerpunkte:
Gleich zu Beginn des Kongresses präsentierte Prof. Ibrahim Alkatout, stellvertretender Klinikleiter in Kiel, die Live-Übertragung eines roboterassistierten Eingriffs, bei dem er die bekannten Vorteile der robotergestützten Chirurgie (mehrfache Vergrößerung des Operationsfeldes, Skalierbarkeit der Handbewegungen, geringere operative Traumata, schnellere Mobilisation und Rekonvaleszenz) gegenüber laparoskopischen und offenen Operationen unterstrich. 

Die minimalinvasive Chirurgie hat eine lange Tradition in der Gynäkologie in Kiel, in den vergangenen Jahren ist die Überführung des operativen Spektrums in die roboterassistierte Chirurgie gelungen, so Alkatout. Dies betrifft sowohl gynäkologische onkologische Erkrankungen als auch gutartige Erkrankungen wie Endometriose oder Uterusmyome. Eine wichtige Rolle spielt die roboterassistierte Chirurgie in Kiel auch bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, junge Ärztinnen und Ärzte werden während der Facharztausbildung unter Leitung erfahrener Oberärzte an die Roboterchirurgie herangeführt.

Eine weitere Live-Operation, die in den Kongresssaal übertragen wurde, kommentierte die Kieler Oberärztin Prof. Marion van Mackelenbergh. Dabei handelte es sich um einen brustrekonstruktiven Eingriff bei einer onkologischen Patientin. Neben der in den vergangenen Jahren optimierten komplexen operativen Therapie hat sich die systemische Behandlung beim fortgeschrittenen Mammakarzinom rasant entwickelt. Seit der Implementierung zielgerichteter Therapien in die Regelversorgung sind die Behandlungs- und Heilungschancen deutlich gestiegen, führte van Mackelenbergh aus. 
Metastasierter Brustkrebs wird medikamentös je nach Subtyp und Biomarkerprofil behandelt, wobei zielgerichtete Therapien und Antikörper-Wirkstoff-Konjugate zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Wahl der Therapie orientiert sich an Hormonrezeptorstatus und spezifischen Mutationen. Die Behandlung wird individuell an Biomarker, die Lokalisation von Metastasen und an Vorbehandlungen angepasst, um Lebensqualität und Überleben der Patientinnen zu optimieren.

Nils Tribian, Arzt in Weiterbildung, ging in seinem Vortrag auf die besonderen Herausforderungen von Schwangerschaften jenseits des 40. Lebensjahres ein – ein Thema, das insbesondere niedergelassene Kolleginnen und Kollegen interessierte, die diese Frauen täglich in ihrer Praxis begleiten. Die Familienplanung verschiebt sich aus persönlichen und beruflichen Gründen seit vielen Jahren weiter nach hinten, die Zahl der schwangeren Frauen im Alter von über 40 Jahren nimmt beständig zu und macht inzwischen 5–10 % aller Geburten aus. Viele dieser Schwangerschaften verlaufen komplikationslos. Gleichwohl treten in diesem Alter medizinische Risiken (chromosomale Anomalien, Fehl- und Frühgeburten, Gestationsdiabetes, Bluthochdruck und Präeklampsie) häufiger auf als bei jüngeren Frauen. Tribian verwies darauf, dass das Risiko für Komplikationen mit nahendem Geburtstermin steigt, dass der Embryo etwa nicht mehr wächst oder in eine sauerstoffkritische Situation kommt und damit die Notwendigkeit eines Kaiserschnitts häufiger gegeben ist. Insgesamt, so Tribian, spielen regelmäßige Kontrollen während der Schwangerschaft eine zentrale Rolle – schwangere Frauen über 40 profitieren überproportional von der Wahrnehmung aller angebotenen Vorsorgeuntersuchungen und einer engen medizinischen Begleitung.  

Im Verlauf der Tagung wurden Doris Scharrel und Dr. Michael Heeder mit der Ehrenmitgliedschaft der NGGG ausgezeichnet: Doris Scharrel für ihr mehr als 20-jähriges Engagement als Landesvorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte in Schleswig-Holstein, Heeder für seine langjährige Tätigkeit als Schatzmeister der Fachgesellschaft. Der mit 1.500 Euro dotierte Staude-Pfannenstiel-Preis ging zu gleichen Teilen an Dr. Zino Ruchay, Kiel, und Franziska Fick, Lübeck. Mit Posterpreisen wurden Dr. Franziska Hemptenmacher, Lübeck, PD Lars Brodowski, Hannover, und Huy Duc Le, Kiel, geehrt.
Uwe Groenewold