Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt

„Wir brauchen verlässliche Rahmen, keine Hilfspakete“

Protestveranstaltung am 27. September in Kiel, weil der stationäre Sektor „Alarmstufe rot“ ausruft. Im Jahr 2023 könnten nach Befürchtungen der KGSH allein in Schleswig-Holstein 131 Millionen Euro fehlen. Neben Geld werden grundlegende Reformen angemahnt.

Hohe Energiepreise, Inflation, Ende der Corona-Sonderzahlungen – viele Krankenhäuser fürchten wirtschaftliche Verluste oder gar Insolvenzen. Um darauf aufmerksam zu machen, rief die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) mit einer bundesweiten Kampagne die „Alarmstufe rot“ aus. Bei einer Veranstaltung auf dem Campus des UKSH Kiel forderten Verantwortliche nicht nur Geld, sondern den Mut zu einem Strukturwandel. Es nieselte, als Patrick Reimund ans Rednerpult trat. Das Wetter passe durchaus zur Lage, sagte der Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein (KGSH): „Die Krankenhäuser stehen im Regen.“ Einen Fehlbetrag von rund 131 Millionen Euro erwarten die 76 Kliniken unter dem Dach der KGSH. Bundesweit fehlten den Kliniken sogar neun Milliarden Euro, weil die aktuellen Preissteigerungen bei den Budgetverhandlungen nicht vorhersehbar waren. „Der Kostendruck ist nicht zu bewältigen“, sagte Gesundheitsministerin Prof. Dr. jur. Kerstin von der Decken (CDU). Sie habe bereits Vorstöße unternommen, um Geld vom Bund zur Rettung der Kliniken zu erhalten: „Das wird Steuermittel kosten. Aber wofür, wenn nicht für die gesundheitliche Daseinsfürsorge, sollte
man Geld wohl ausgeben?“ Ein Argument, dem Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der DKG, gern zustimmte. Er machte den Anwesenden, darunter Mitgliedern des Rettungsdienstes und Beschäftigten des Friedrich-Ebert-Krankenhauses Neumünster (FEK), den Ernst der Lage anschaulich: „Über 60 Prozent der Kliniken stecken bereits in den roten Zahlen, 2023 dürften es fast 100 Prozent sein.“ Das Problem sei bei der Politik angekommen: Sowohl die Ministerpräsidenten als auch Bundesgesundheitsminister Dr. Karl Lauterbach (SPD) hätten die Zahlen bestätigt. Tatsächlich hatte Lauterbach Anfang September im Bundestag ein Hilfspaket angekündigt, mit dem die Kliniken gestiegenen Betriebskosten ausgleichen können. "In dieser Energie- und Inflationskrise lassen wir unsere Krankenhäuser nicht im Stich", so Lauterbauch in der Haushaltsdebatte. Allerdings fehlten konkrete Beschlüsse, kritisierte Gaß. Passiere nicht rasch etwas, „kann es für einzelne Häuser zu spät sein“. Aber mit Geld allein sei den Krankenhäusern auch nicht gedient, so der DKG-Vorsitzende weiter: „Wir wollen uns nicht von Hilfspaket zu Hilfspaket hangeln, wir brauchen verlässliche Rahmen, damit die Häuser an strategische Projekte herangehen können.“

Die Krankenhäuser seien bereit zu Reformen, aber auch die Politik müsse einen Teil leisten: Gaß kritisierte den „kalten Strukturwandel“, der zurzeit ablaufe. „Wir verweigern uns weder, wenn es um mehr ambulante Versorgung geht, noch um die Fusion von Standorten, aber diese Prozesse müssen geordnet ablaufen“. Noch konkreter wurde Professor Dr. Jens Scholz, Vorstandsvorsitzender des UKSH und Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika: Die Politik müsse die heißen Eisen anpacken und eine Reform einleiten, forderte er. Die Ressourcen Geld und Personal müssten dorthin gelenkt werden, wo sie tatsächlich gebraucht würden. Er lobte das Notfallstufensystem, bei dem Kliniken Zuschläge oder Abschläge für Behandlungen erhalten – bei dieser Reform, die der Gemeinsame Bundesausschuss beschlossen hat, erhalten Vollversorger wie die Unikliniken am meisten, während kleine Häuser finanziell bestraft werden. „Durch Spezialisierung und Strukturwandel bekommen wir auch den Personalmangel in den Griff “, so Scholz. Die Sicht der kleineren und mittleren Häuser vertrat Kerstin Ganskopf, Geschäftsführerin des FEK und Vorsitzende der Landesgruppe Nord des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) „Die Krise kommt nicht erst, sie ist bereits da.“ Ohne die Hilfe der Politik sei „die Grundversorgung in Gefahr“. Bereits heute würden Patienten priorisiert. Die Landespolitik will die Kliniken nicht im Stich lassen. Für die FDP-Fraktion fordert der ehemalige Gesundheitsminister Dr. rer. pol. Heiner Garg eine Reform der Krankenhausfinanzierung mit einer Basisfinanzierung, die das System der Fallpauschalen ergänzt. Gesundheitsministerin von der Decken sagte auf Ärzteblatt-Anfrage, sie würde den Strukturwandel anpacken – hier sei aber zunächst der Bund gefragt, die Rahmenbedingungen zu ändern. Doch in der aktuellen Lage lautete ihre Forderung: „Da die Krankenhausfinanzierung bundesgesetzlich geregelt ist, muss die Bundesregierung handeln. Und zwar jetzt.“

Text: Esther Geißlinger