Tag der Akademie
20. September 2022
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Tag der Akademie rückt Volkskrankheit Adipositas in den Mittelpunkt

Bad Segeberg, 18. September 2022.

Die Ärztekammer Schleswig-Holstein widmete ihren diesjährigen „Tag der Akademie“ dem Thema „Adipositas“.

Rund 60 Teilnehmende aus Schleswig-Holstein kamen gestern zum Abschluss einer vierteiligen Fortbildungsreihe in Bad Segeberg zusammen. Vertreter aus Ärzteschaft, Politik und Versorgung lieferten in Kurzvorträgen Impulse zum Thema Adipositas und stellten insbesondere das in Vorbereitung befindliche Disease-Management-Programm (DMP) zu Adipositas und die ausgeprägte Stigmatisierung der Betroffenen in den Mittelpunkt.

Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Adipositas: Eine Frage der individuellen Disziplin oder gesamtgesellschaftliche Aufgabe?“

Dr. Gisa Andresen, Vizepräsidentin der Ärztekammer Schleswig-Holstein, betonte, dass gesamtgesellschaftliches Handeln unabdingbar sei: „Ärztliches Handeln allein reicht nicht aus, um langfristig ernährungsassoziierte medizinische Probleme zu verhindern und zu behandeln. Dafür brauchen wir auch die gesellschaftliche und politische Unterstützung. Denn Adipositas ist Schicksal und nicht Schuld. Wir können es uns nicht leisten, die Adipositas nicht zu behandeln! Das DMP Adipositas ist ein richtiger Schritt zum leitliniengerechten multiprofessionellen Behandlungssetting über alle Sektoren der Versorgung im Gesundheitssystem hinweg. Dadurch erhalten wir die Chance, dass die durch Adipositas versursachten Krankheits- und Sterbefälle zurückgehen werden.“

Dr. Oliver Grundei, Staatssekretär im Ministerium für Justiz und Gesundheit: „Die Landesregierung sieht Adipositas und Übergewicht als sehr wichtige Themen an. Hier bedarf es verschiedener Angebote auf breiter Ebene für alle Altersgruppen. Das gilt ganz besonders für Kinder und Jugendliche, da di Ursachen für Adipositas und Übergewicht auch in der Kindheit begründet liegen können, aber auch für Erwachsene. Wir sind sehr offen dafür, noch stärker und intensiver in den Austausch mit allen Beteiligten zu treten, um herauszufinden, in welchen Bereichen wir Angebote weiterentwickelnd oder auch neue schaffen können.“

Dr. Jan Helling, Leiter Medizincontrolling WKK Brunsbüttel und Heide: „Die Etablierung des Adipositas-Zentrum an den Westküstenkliniken war nicht nur im Sinne der Patienten eine strategisch richtige und wichtige Entscheidung. Wir erwarten, dass die beiden bisherigen wesentlichen Hemmnisse einer adäquaten Versorgung künftig überwunden werden können. Zum einen wird das DMP Adipositas zu mehr Möglichkeiten der Behandlung über die Sektorengrenzen im Gesundheitswesen hinweg führen. Zum anderen stärkt die aktuelle Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes den Anspruch der Patienten und Patientinnen auf eine leitliniengerechte und damit bei entsprechender Indikation auch operative Therapie.

 Dr. Bernd Hillebrandt, Geschäftsführer der Barmer Landesvertretung Schleswig-Holstein: „Das DMP Adipositas kann man als einen Meilenstein in der Adipositas-Behandlung betrachten. Allerdings reicht es allein nicht aus. Wir brauchen beides, Verhaltens -und Verhältnisprävention. Darüber hinaus eine Zuckersteuer sowie ein Verbot für alle an Kinder gerichtete Bewerbung ungesunder Produkte. Wir müssen weg vom Reparaturbetrieb hin zu einem Gesundheitsförderungssystem, das schon im Kindesalter beginnt.“

  Oliver Huizinga, Politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas Gesellschaft: „Während Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen ganz selbstverständlich Zugang zu vielfältigen Behandlungsmethoden haben, ist dies bei Patientientinnen und Patienten mit Adipositas nicht oder nur in geringem Ausmaß der Fall. Ein DMP Adipositas hat das Potenzial, die defizitäre Versorgung nachhaltig zu verbessern – ob das gelingt, hängt an der Ausgestaltung und an den gesetzlichen Rahmenbedingungen. Um die Krankheitslast durch Adipositas langfristig zu reduzieren, sollte das DMP Adipositas niedrigschwellig zugänglich sein. Je früher das chronische Fortschreiten der Adipositaserkrankung unterbrochen werden kann, desto größer ist die Chance, dass Patientinnen und Patienten ein gesundes Körpergewicht erreichen, dieses dauerhaft halten und Folgeerkrankungen vermeiden können."

Jan Marcel Rahder, Facharzt für Allgemeinmedizin und Ernährungsmedizin: „Die derzeitigen Bemühungen sind gut, reichen aber bei weitem nicht aus. Seitens der Politik und der Kostenträger müssen mehr Anreize geschaffen werden. Außerdem sollten Ärzte eine monetäre Entlohnung erfahren, wenn sie sich intensiv mit Adipositas-Patienten beschäftigen.“

Dr. Monika Schliffke, Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein: „Mit dem DMP Adipositas können wir nicht nur strukturierte Chancen einer besseren Behandlung von Erwachsenen und Kindern ergreifen, es sollte uns Anreiz sein, die Gesundheitskompetenz des Einzelnen zu erhöhen, um langzeitige Erfolge zu erzielen.“


Über Adipositas
Übergewicht und Adipositas zählen mit zu den größten gesundheitspolitischen Herausforderungen. Etwa zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland bringen zu viel Gewicht auf die Waage, zirka ein Viertel ist sogar von starkem Übergewicht – Adipositas – betroffen. Menschen mit dieser Erkrankung entwickeln sechs- bis zehnmal häufiger einen Diabetes Typ 2 als jene mit Normalgewicht. Auch bei Kindern spielt Adipositas bereits eine Rolle: Rund 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland gelten als übergewichtig oder adipös.

Über Disease-Management-Programme
Disease-Management-Programme (DMP) sind strukturierte Behandlungsprogramme, die für bestimmte chronische Erkrankungen entwickelt und angeboten werden. Der Auftrag an den G-BA, bis zum 31. Juli 2023 ein DMP Adipositas zu beschließen, geht auf das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) zurück.

Über die Akademie der Ärztekammer Schleswig-Holstein
Die Akademie der Ärztekammer Schleswig-Holstein ist die interprofessionelle Bildungseinrichtung für alle Fort- und Weiterbildungsaktivitäten der Ärztinnen und Ärzte sowie der Gesundheitsfachberufe und der überbetrieblichen Ausbildung der Medizinischen Fachangestellten (MFA) in Schleswig-Holstein. Die Akademie führt jährlich zirka 300 Veranstaltungen mit etwa 4.500 Teilnehmern durch. Alle Veranstaltungen durchlaufen ein Evaluationsverfahren, wodurch die Qualität sichergestellt und kontinuierlich verbessert werden kann. Bei zahlreichen Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen werden mittlerweile digitale Lernformate mit der Lernplattform ILIAS erfolgreich eingebunden.

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