Notarzt
23. November 2022
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Künftige Notärzte trainieren den Ernstfall

Bad Segeberg, 19. November 2022. 

Blaulicht und Martinshorn. Schwerer Verkehrsunfall mit mehreren Verletzen in Bad Segeberg. Das war die Ausgangslage für eine groß angelegte Übung für zukünftige Notärzte. Denn nicht alle Mediziner dürfen automatisch als Notärzte arbeiten. Um im Ernstfall das Überleben der größtmöglichen Anzahl von Betroffenen zu sichern, müssen sie eine zusätzliche Weiterbildung absolvieren.

Diese bietet die Ärztekammer Schleswig-Holstein (AEKSH) in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft in Norddeutschland tätiger Notärzte (AGNN) zweimal im Jahr an. Dabei müssen die künftigen Notärzte achtzig Stunden theoretische und praktische Grundlagen der Notfallmedizin absolvieren.

Gerade üben einige Ärzte mit einer Thoraxdrainage Luft abzulassen, die sich zwischen Lunge und Rippen im Brustkorb eines Patienten ansammeln kann und im schlimmsten Fall das Atmen unmöglich macht. Eine andere Gruppe widmet sich der Wiederbelebung. Ein Arzt drückt dazu rhythmisch auf den Brustkorb einer anderen Übungspuppe.

„Um sicherzustellen, dass der Notarzt die medizinische Erstversorgung in Notfallsituationen beherrscht, müssen die Allgemein- oder Fachärzte mindestens zwei Jahre Berufserfahrung mitbringen, bevor sie sich zum Notarzt weiterbilden lassen“, erklärt Prof. Dr. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein und selbst Internist und Notfallmediziner.

Die meisten Kursteilnehmer arbeiten normalerweise in Kliniken in Schleswig-Holstein. Insgesamt acht Tage sind sie in der Akademie, der interprofessionellen Bildungseinrichtung der Ärztekammer, untergebracht und hören Vorträge über wesentliche Gesetze im Rettungsdienst, über Hygienemaßnahmen beim Umgang mit infektiösen Patienten oder lernen Details zu den Krankheitsbildern Schlaganfall und Herzinfarkt. Aber sie lernen auch Maßnahmen zum Eigenschutz und wohin sie sich wenden können, wenn sie selbst einmal Hilfe benötigen, um traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Die wissenschaftliche Leitung inne haben PD Dr. Tilman von Spiegel, Facharzt für Änäshesiologie und Ärztlicher Leiter Rettungsdienst des Westküstenklinikums Heide, sowie Dr. Holger Maurer, Anästhesist am UKSH Campus Lübeck und Dr. Florian Reifferscheid, ebenfalls Facharzt für Anästhesiologie und Leitender Arzt der Region Nord der DRF Stiftung Luftrettung und Vorsitzender der AGNN.

Bei der Sichtungsübung zählt dann jede Sekunde. Schnelle Anweisungen ertönen durch den Raum, in dem mehrere Menschen schwerstverletzte Patienten spielen, die von den künftigen Notärzten schnell beurteilt und erstversorgt werden müssen. Was hier noch Fehler verzeiht, kostet später vielleicht Menschenleben. „Das Zusammenwirken von Notarzt, Rettungsdienst und Feuerwehr hat eine zentrale Bedeutung. Entscheidend dabei ist auch eine klare Kommunikation, die in unseren Trainings gelernt wird“, sagt Prof. Dr. Henrik Herrmann. Auch wenn die praktischen Übungen großen organisatorischen und finanziellen Aufwand bedeuten, führe die Ärztekammer solche Sichtungsübungen und Großschadenssimulationen immer wieder durch. „Nur so kann man ernsthaft Qualität und Praxisbezug in der Weiterbildung anbieten.“

Im Innenhof der Ärztekammer-Akademie steht ein Trainings-Rettungsdienstwagen mit modernster Simulations- und Steuerungstechnik bereit. Rettungssanitäter erklären die Ausrüstung eines Rettungswagens. Damit später auch die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr reibungslos funktioniert, zeigen ehrenamtliche Helfer der Freiwilligen Feuerwehr Wahlstedt den Ärzten, wie Patienten aus Autos oder Wohnungen gerettet werden. Sie erklären auch die hydraulischen Rettungsgeräte, bevor die Ärzte mit der Rettungsschere selbst Hand anlegen müssen. Helmabnahme, Intubation, Verbrennungen versorgen, Reanimation – alles Szenarien, bei denen die Handgriffe sitzen müssen und das Gelernte blitzschnell umgesetzt werden muss. 

Nach Abschluss des achttägigen Kurses geht es weiter: Bevor die Mediziner als Notarzt arbeiten dürfen, müssen sie noch 25 Einsätze an der Seite eines erfahrenen Notarztes absolvieren.