Einstieg in die Begutachtung

Gutachten sind mehr als nur eine juristische Pflichtaufgabe – sie sind ein wichtiger Beitrag zu fairen und fundierten Entscheidungen in unserem Rechtssystem. Ob vor Gericht, in Verwaltungsverfahren oder in sozialrechtlichen Kontexten: Psychiatrische und psychologische Gutachten haben Gewicht. Sie können den weiteren Lebensweg von Menschen maßgeblich beeinflussen.

Für viele Ärztinnen, Ärzte, Psychologinnen, Psychologen oder verwandte Berufsgruppen ist der Einstieg in die Begutachtung ein spannender Schritt – aber auch einer, der Fragen aufwirft: Wo fange ich an? Welche Rechtsgebiete kommen überhaupt infrage? Welche Qualifikationen brauche ich? Hier möchte das Kompetenzzentrum für psychiatrische und psychologische Justizgutachten Schleswig-Holstein (KPJSH) beratend unterstützen: als Anlaufstelle, die den Einstieg erleichtert, Kontakte vermittelt, vernetzt und Wissen bündelt.
 

Warum der Einstieg lohnt

  • Gesellschaftliche Bedeutung: Sie tragen dazu bei, dass Entscheidungen auf einer fachlich fundierten Grundlage getroffen werden.
  • Hohe Verantwortung: Ihre Einschätzungen können in Bereichen wie Strafrecht, Familienrecht, Betreuungsrecht und vielen weiteren Rechtsgebieten entscheidend sein.
  • Fachliche Entwicklung: Gutachtenarbeit fördert präzises Denken, klare Sprache und interdisziplinären Austausch.
  • Vielfältige Einsatzfelder: Jedes Rechtsgebiet bringt eigene fachliche Herausforderungen mit sich.


Rechtsgebiete, Einsatzfelder und erste Schritte

Der Einstieg in die gutachterliche Tätigkeit erfolgt für entsprechend qualifizierte Ärzt*innen und Psycholog*innen in der Regel an der Seite erfahrener Kolleginnen und Kollegen. So können Sie zunächst unter Anleitung lernen, wie Fragestellungen erfasst, relevante Informationen beschafft, ausgewertet und in ein strukturiertes Gutachten überführt werden. Ergänzend zu Fortbildungen je nach vorheriger Qualifikation lohnt sich immer der Blick in die einschlägige Fachliteratur für gutachterliche Tätigkeiten, um ein solides theoretisches Fundament aufzubauen.

Im KPJSH gehen typischerweise Anfragen ein, die in Gerichten bearbeitet oder verhandelt werden – etwa im Strafrecht, Betreuungsrecht oder Familienrecht. Häufige Themenfelder sind:

  • Strafrecht – z. B. Fragen zur Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB), Prognose einer Gefährlichkeit (§ 63 StGB), Therapieunterbringung (§ 64 StGB) oder Glaubwürdigkeit von Aussagen (Aussagepsychologie).
  • Betreuungsrecht – Klärung der Geschäftsfähigkeit, Entscheidungs- und Einwilligungsfähigkeit, Empfehlungen zu Betreuungsarten und -umfängen.
  • Familienrecht – etwa psychologische Begutachtungen im Kontext von Sorge- und Umgangsrechtsverfahren.

Darüber hinaus ist psychiatrisch-psychologisch gutachterliche Expertise auch außerhalb des gerichtlichen Bereichs gefragt, zum Beispiel:

  • in Gesundheitsämtern im Amtsärztlichen Dienst,
  • bei der Agentur für Arbeit im Rahmen von Erwerbsfähigkeitsprüfungen,
  • beim Landesamt für Arbeitsschutz, Soziales und Gesundheit (LASG), z. B. im Schwerbehindertenrecht oder nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG),
  • beim Medizinischen Dienst, dem sozialmedizinischen Beratungs- und Begutachtungsdienst für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung.

Jedes Einsatzfeld hat seine eigenen gesetzlichen Grundlagen, Abläufe und formalen Anforderungen. 


Lernen von Anfang an: Fortbildungen, Literatur, Supervision

Der Einstieg in die Gutachtenarbeit gelingt am besten, wenn Sie Fachwissen, praktische Erfahrung und kollegialen Austausch von Beginn an verbinden. Neben strukturierten Fortbildungen sind praxisnahe Supervisionen und Intervisionszirkel wertvoll, um eigene Einschätzungen zu reflektieren und von der Erfahrung anderer zu profitieren. Ergänzend lohnt es sich, früh einschlägige Fachliteratur zu studieren – sowohl zu gutachterlichen Methoden als auch zu den relevanten Rechtsgebieten.


Das KPJSH unterstützt Sie beim Start durch:

  • Vermittlung von Kontakten zu forensischen Abteilungen und gutachterlich langjährig tätigen Kolleginnen und Kollegen
  • Beratung und Empfehlungen zu Fortbildungs- und Einstiegsmöglichkeiten
  • Bündelung und Aufbereitung relevanter Informationen für Gutachterinnen und Gutachter
  • Eine Netzwerkstruktur, die vom Austausch zwischen den verschiedenen Disziplinen, dem Nachwuchs und den erfahrenen Kolleginnen und Kollegen lebt – daher sind Hinweise, Angebote und Austauschmöglichkeiten jederzeit willkommen