
Fatigue auch bei entzündlichem Rheuma ein Leitsymptom
Fatigue gilt als unterschätztes Leitsymptom entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Betroffene beschreiben das Syndrom als anhaltende, lähmende Erschöpfung, die weit über alltägliche Müdigkeit hinausgeht. Sie schränkt Lebensqualität, Arbeitsfähigkeit und soziale Teilhabe massiv ein – oft sogar stärker als die Gelenkbeschwerden. „Schwere Fatigue stellt ein häufiges und belastendes Symptom bei Autoimmunerkrankungen dar und betrifft etwa die Hälfte aller Patientinnen und Patienten. Dabei zeigt sich Fatigue als ein heterogenes Phänomen, das nicht nur individuell unterschiedlich ausgeprägt ist, sondern auch erhebliche sozioökonomische Auswirkungen mit sich bringt“, erklärte Dr. Hanna Graßhoff aus der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie im UKSH, Campus Lübeck, auf Anfrage des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblattes.
Graßhoff stellte in Wiesbaden aktuelle Daten Ihrer Forschungen vor. Sie wurde zusammen mit ihrer Kollegin Swantje Arndt bereits 2023 von der Deutschen Rheuma-Liga und der Deutschen Rhemuastiftung für ihr Forschungsprojekt „Fatigue im Alltag messbar machen – Eignung nicht-invasiver Technologien zur Erhebung von Fatigue bei Systemischer Sklerose“ ausgezeichnet. „Die zugrundeliegenden pathophysiologischen Mechanismen, die zur Entstehung von Fatigue im Alltag führen, variieren je nach Art der Autoimmunerkrankung. Eine wirksame Behandlung setzt daher voraus, dass diese Ursachen präzise identifiziert werden“, so Graßhoff. Nur durch ein tiefes Verständnis der krankheitsspezifischen Prozesse lasse sich eine gezielte und individualisierte Therapie entwickeln, die den Betroffenen nachhaltig Entlastung verschaffen könne.
Autoantikörper können neuroinflammatorische Prozesse auslösen
Auch Kongresspräsident Prof. Andreas Schwarting von der Uniklinik Mainz befasst sich intensiv mit dem Thema. Seinen Ausführungen zufolge wurden bei Betroffenen entzündliche Prozesse im zentralen Nervensystem nachgewiesen. Es hätten sich Aktivierungen von Immunzellen des Gehirns gezeigt, die Signalwege beeinflussen, die für Wachheit, Energiehaushalt und Motivation zuständig sind. Zudem gebe es Hinweise, dass Autoantikörper bei einigen Betroffenen die Blut-Hirn-Schranke überwinden und dort neuroinflammatorische Prozesse auslösen. Sein Credo: „Fatigue ist kein psychosomatisches Randthema, sondern ein zentrales Symptom rheumatischer Erkrankungen – das intensiver systematisch erforscht und behandelt werden muss.“
Weiterer Kongressschwerpunkt waren zelluläre Therapien wie die CAR-T-Zelltherapie. Dabei werden den Patienten T-Zellen entnommen, im Labor gentechnisch verändert und anschließend wieder injiziert. Sie erkennen die krankmachenden B-Zellen im Körper und schalten diese gezielt aus – ein Prinzip, das sich bereits in der Krebsmedizin bewährt hat und nun auf Autoimmunerkrankungen wie Systemische Lupus erythematodes (SLE), Sklerodermie oder Rheumatoide Arthritis (RA) übertragen wird. Die gezielte Beseitigung der B-Zellen kann die krankheitsauslösenden Prozesse offensichtlich an ihrem Ursprung stoppen. Ein anderer Ansatz arbeitet mit bispezifischen Antikörpern. Beide Konzepte unterscheiden sich grundlegend von klassischen Immunsuppressiva, die bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen breit im Organismus wirken, das Immunsystem insgesamt dämpfen und mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein können. „Die bisherigen klinischen Studien liefern ermutigende Ergebnisse“, erläuterte Prof. Ulf Wagner aus Leipzig. „Diese deuten darauf hin, dass wir mit zellulären Therapien einen neuen Behandlungsweg eröffnen können, insbesondere für Patientinnen und Patienten, für die bisher kaum noch Optionen bestanden.“
Limitierende Faktoren: Die Herstellung von CAR-T-Zellen ist komplex und kostenintensiv, die Verfahren sind bislang nur in spezialisierten Zentren möglich. Mögliche Langzeitfolgen für das Immunsystem müssen weiter erforscht werden. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGrh) hat zu diesem Zweck eine neue „Kommission zelluläre Therapie“ gegründet.





